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ehemals Württembergischer Verein zur Förderung der humanistischen Bildung e.V.

Samstag, 7. Mai 2016

Die Heuneburg – das antike Pyrene?


Rekonstruktion der Lehmziegelmauer
Der heute als Heuneburg bezeichnete, auf einem Bergsporn an der oberen Donau bei Hundersingen (Gemeinde Herbertingen im Landkreis Sigmaringen) gelegene Fundplatz, wird als „frühkeltischer Fürstensitz“ interpretiert, der von ca. 600 bis 540 v. Chr. ein bedeutendes Siedlungs-, Wirtschafts- und Machtzentrum der älteren Eisenzeit (Hallstattzeit) in dieser Region darstellte.

Der stadtartige Siedlungskomplex bestand aus dem eigentlichen Burgberg, einer Vorburg und einer ca. 100 ha großen Außensiedlung. Ersterer wurde mit einer auf Steinfundamenten errichteten Lehmziegelmauer geschützt, ein bislang einzigartiger Baubefund nördlich der Alpen. Zur Vorburg hin war die Mauer mit bastionsartigen Türmen zusätzlich bewehrt. Die aus luftgetrockneten Lehmziegeln bestehende Wehranlage wurde um 600 v. Chr. errichtet, fiel allerdings um 540 v. Chr. einem gewaltigen Brand zum Opfer, welcher der Blütezeit dieser stadtähnlichen Siedlung ein jähes Ende setzte.
In der Umgebung der Heuneburg existieren Grabhügel, die in direktem Zusammenhang mit der Besiedlungsgeschichte stehen. Der berühmteste und noch am deutlichsten sichtbare Grabhügel ist das sog. Hohmichele, dessen Belegung vom ausgehenden 7. Jahrhundert bis in die 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. reicht. In dieser Zeit wurden die Toten der vornehmen Oberschicht in großen, künstlich aufgeschütteten Hügeln bestattet. Diese enthielten als Hauptgrab aufwändig gezimmerte Kammern aus Eichenbohlen, in denen die Verstorbenen mit einer Vielzahl kostbarer Grabbeigaben den Weg ins Jenseits antraten. Ein unberaubtes Frauengrab aus der 2,5 km südsüdöstlich der Heuneburg gelegenen Bettelbühlnekropole wurde 2010 als Blockbergung gesichert und unter Laborbedingungen freigelegt. Das Grab, in dem zwei Frauen bestattet waren, enthielt kostbare Beigaben aus Gold, Bernstein, Gagat und Bronze, darunter der Stirnpanzer eines Pferdes.

Das „Keltenmuseum Heuneburg im nahe gelegenen Herbertingen informiert über die Geschichte der Kelten im Allgemeinen und über keltische Fundplätze im Besonderen, wobei die Geschichte der Heuneburg im Mittelpunkt steht. Überreste von Keramikgefäßen, die als Importgut aus Griechenland zur Heuneburg gelangten, künden als Luxusgüter vom Wohlstand der damaligen Oberschicht und belegen zugleich die Orientierung der lokalen Eliten an den Kulturen des Mittelmeerraums. Die Nachbildung des Grabes Nr. IV, eines unberaubten Fürstengrabes aus dem Grabhügel Hohmichele, zeigt das Aussehen einer reich ausgestatteten Grabkammer aus der späten Hallstattzeit mit einer Doppelbestattung von Mann und Frau, einem vierrädrigem Wagen und zahlreichen Beigaben unterschiedlichster Art. Die Leichname wie auch die gesamte Grabausstattung waren in kostbare Tücher - darunter auch Seide – gehüllt. Es handelt sich hierbei um den frühesten Nachweis für Seide in Mitteleuropa.

Das auf dem Fundplatz errichtete „Freilichtmuseum Heuneburg“ zeigt, wie die einstige Burganlage einmal ausgesehen haben könnte. Entlang der Donauseite ist ein 80 m langes Teilstück der Lehmziegelmauer in Originalgröße rekonstruiert (Abb. 1). Die sonst nur im Mittelmeerraum gebräuchliche Bautechnik legt den Schluss nahe, dass die Herren der Heuneburg gezielt einen Architekten aus dem Süden für den Bau ihrer Burg engagiert haben, um sich auch in bautechnischer Hinsicht am Vorbild mediterraner Kultur zu orientieren. Direkt hinter der Mauer sind mehrere Wohn- und Wirtschaftsgebäude nachgebildet.  Nachbauten von Ausstattungsgegenständen wie Mobiliar, Werkzeugen, Wagen etc. sollen dem Besucher das Alltagsleben der eisenzeitlichen Bewohner veranschaulichen.

Demographischen Berechnungen zufolge soll die gesamte Heuneburg eine mit der damaligen Metropole Athen vergleichbare Bevölkerungszahl von etwa 5000 Personen gehabt haben. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Heuneburg mit der bei Herodot überlieferten Stadt Pyrene identisch ist, die der griechische Geschichtsschreiber im Keltenland am Ursprung des Istros (Donau) verortet (Hdt. 2,33,3). Für diese These sprechen die Lage der Heuneburg in einer Region nahe der tatsächlichen Donauquellen, das stadtartige und mediterrane Erscheinungsbild der Höhensiedlung, insbesondere der Burganlage und die Handelsbeziehungen mit der griechischen Welt, die durch zahlreiche Funde nachgewiesen sind. Doch gibt es auch gewichtige Argumente gegen diese These. Herodots Angaben zur Lage Pyrenes sind eher vage, zumal er sie mit Kelten in Verbindung bringt, die jenseits „die Tafeln des Herakles“, also auf der iberischen Halbinsel, wohnen. Als Herodot sein Geschichtswerk um die Mitte des 5. Jahrhunderts verfasste, lag die Heuneburg seit fast einhundert Jahren in Trümmern und dürfte längst in Vergessenheit geraten sein. Im Übrigen hat Herodot das beschriebene Gebiet nie selbst bereist, zudem ist die Zuverlässigkeit seiner geographischen Angaben in der Forschung nicht unumstritten.

Rudolf Schmidt M.A.

Literatur:
Dirk Krausse u.a.: Die Heuneburg – keltischer Fürstensitz an der oberen Donau.
Darmstadt 2015

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