Rekonstruktion der Lehmziegelmauer |
Der heute als Heuneburg
bezeichnete, auf einem Bergsporn an der oberen Donau bei Hundersingen (Gemeinde
Herbertingen im Landkreis Sigmaringen) gelegene Fundplatz, wird als
„frühkeltischer Fürstensitz“ interpretiert, der von ca. 600 bis 540 v. Chr. ein
bedeutendes Siedlungs-, Wirtschafts- und Machtzentrum der älteren Eisenzeit
(Hallstattzeit) in dieser Region darstellte.
Der stadtartige
Siedlungskomplex bestand aus dem eigentlichen Burgberg, einer Vorburg und einer
ca. 100 ha großen Außensiedlung. Ersterer wurde mit einer auf Steinfundamenten
errichteten Lehmziegelmauer geschützt, ein bislang einzigartiger Baubefund
nördlich der Alpen. Zur Vorburg hin war die Mauer mit bastionsartigen Türmen
zusätzlich bewehrt. Die aus luftgetrockneten Lehmziegeln bestehende Wehranlage
wurde um 600 v. Chr. errichtet, fiel allerdings um 540 v. Chr. einem gewaltigen
Brand zum Opfer, welcher der Blütezeit dieser stadtähnlichen Siedlung ein jähes
Ende setzte.
In der Umgebung der
Heuneburg existieren Grabhügel, die in direktem Zusammenhang mit der
Besiedlungsgeschichte stehen. Der berühmteste und noch am deutlichsten
sichtbare Grabhügel ist das sog. Hohmichele, dessen Belegung vom ausgehenden 7.
Jahrhundert bis in die 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. reicht. In dieser
Zeit wurden die Toten der vornehmen Oberschicht in großen, künstlich
aufgeschütteten Hügeln bestattet. Diese enthielten als Hauptgrab aufwändig
gezimmerte Kammern aus Eichenbohlen, in denen die Verstorbenen mit einer
Vielzahl kostbarer Grabbeigaben den Weg ins Jenseits antraten. Ein unberaubtes
Frauengrab aus der 2,5 km südsüdöstlich der Heuneburg gelegenen
Bettelbühlnekropole wurde 2010 als Blockbergung gesichert und unter
Laborbedingungen freigelegt. Das Grab, in dem zwei Frauen bestattet waren,
enthielt kostbare Beigaben aus Gold, Bernstein, Gagat und Bronze, darunter der
Stirnpanzer eines Pferdes.
Das „Keltenmuseum Heuneburg“ im nahe
gelegenen Herbertingen informiert über die Geschichte der Kelten im Allgemeinen
und über keltische Fundplätze im Besonderen, wobei die Geschichte der Heuneburg
im Mittelpunkt steht. Überreste von Keramikgefäßen, die als Importgut aus
Griechenland zur Heuneburg gelangten, künden als Luxusgüter vom Wohlstand der
damaligen Oberschicht und belegen zugleich die Orientierung der lokalen Eliten
an den Kulturen des Mittelmeerraums. Die Nachbildung des Grabes Nr. IV, eines
unberaubten Fürstengrabes aus dem Grabhügel Hohmichele, zeigt das Aussehen
einer reich ausgestatteten Grabkammer aus der späten Hallstattzeit mit einer
Doppelbestattung von Mann und Frau, einem vierrädrigem Wagen und zahlreichen
Beigaben unterschiedlichster Art. Die Leichname wie auch die gesamte
Grabausstattung waren in kostbare Tücher - darunter auch Seide – gehüllt. Es
handelt sich hierbei um den frühesten Nachweis für Seide in Mitteleuropa.
Das auf dem Fundplatz
errichtete „Freilichtmuseum Heuneburg“ zeigt, wie die einstige
Burganlage einmal ausgesehen haben könnte. Entlang der Donauseite ist ein 80 m
langes Teilstück der Lehmziegelmauer in Originalgröße rekonstruiert (Abb. 1).
Die sonst nur im Mittelmeerraum gebräuchliche Bautechnik legt den Schluss nahe, dass die
Herren der Heuneburg gezielt einen Architekten aus dem Süden für den Bau ihrer
Burg engagiert haben, um sich auch in bautechnischer Hinsicht am Vorbild
mediterraner Kultur zu orientieren. Direkt hinter der Mauer sind mehrere Wohn-
und Wirtschaftsgebäude nachgebildet.
Nachbauten von Ausstattungsgegenständen wie Mobiliar, Werkzeugen, Wagen
etc. sollen dem Besucher das Alltagsleben der eisenzeitlichen Bewohner
veranschaulichen.
Demographischen Berechnungen zufolge
soll die gesamte Heuneburg eine mit der damaligen Metropole Athen vergleichbare
Bevölkerungszahl von etwa 5000 Personen gehabt haben. In diesem Zusammenhang
stellt sich die Frage, ob die Heuneburg mit der bei Herodot überlieferten Stadt
Pyrene identisch ist, die der griechische Geschichtsschreiber im Keltenland am
Ursprung des Istros (Donau) verortet (Hdt. 2,33,3). Für diese These sprechen
die Lage der Heuneburg in einer Region nahe der tatsächlichen Donauquellen, das
stadtartige und mediterrane Erscheinungsbild der Höhensiedlung, insbesondere
der Burganlage und die Handelsbeziehungen mit der griechischen Welt, die durch
zahlreiche Funde nachgewiesen sind. Doch gibt es auch gewichtige Argumente
gegen diese These. Herodots Angaben zur Lage Pyrenes sind eher vage, zumal er
sie mit Kelten in Verbindung bringt, die jenseits „die Tafeln des Herakles“,
also auf der iberischen Halbinsel, wohnen. Als Herodot sein Geschichtswerk um
die Mitte des 5. Jahrhunderts verfasste, lag die Heuneburg seit fast einhundert
Jahren in Trümmern und dürfte längst in Vergessenheit geraten sein. Im Übrigen
hat Herodot das beschriebene Gebiet nie selbst bereist, zudem ist die
Zuverlässigkeit seiner geographischen Angaben in der Forschung nicht unumstritten.
Rudolf Schmidt M.A.
Literatur:
Dirk Krausse u.a.: Die
Heuneburg – keltischer Fürstensitz an der oberen Donau.
Darmstadt 2015
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen