„Nouo ineunte anno: Fausta uobis felixque faueat fortuna!“ – „Ein frohes Jahr wünsche ich Euch!“ Auch am anderen Ende der Welt, wo die Sonne – ganz im Gegensatz zum Abendland – anhaltend aufzugehen pflegt, kennt man seit Jahrhunderten diese besondere Art der Kommunikation – Grußnachrichten in lateinischer Sprache zum Neujahr und sonstigen festlichen Anlässen: auch außerhalb des sogenannten christlichen Abendlandes ein probates Mittel zur Vertiefung der Völkerverständigung. Als Beispiel lernen wir heute ein wenig von der Situation in einem Land kennen, das nicht entfernter von diesem Abendland sein kann: Japan. (Teil 1.; Teil 2: hier)
I. Zur
Einführung
„East is East and West is West, and never the twain shall meet“,
schrieb einstmals ein prominenter Dichter des British Empire, Rudyard Kipling (1865 - 1936), als hätten der Westen und der
Osten stets abgetrennt voneinander existiert: Will man da eine unüberbrückbare
Kluft ausmachen, welche unentrinnbar zwischen diesen beiden Sphären ewig
fortzubestehen nicht umhinkommt? Die gute, alte Bibel mag uns da vielleicht
eines Besseren belehren: „Ἰδοὺ μάγοι ἀπὸ ἀνατολῶν
παρεγένοντο …“ („Siehe, da kamen Weise aus
dem Morgenland …“, Matthäus 2,1). Und siehe, die Humanisten wussten
es nämlich auch ohne Bibel schon immer besser: „Ex oriente
lux.“ Doch vergessen wir dabei nicht, dass der ganze interkulturelle
Austausch seit jeher auf bidirektionalem Wege verlief: Ebenso wie allenthalben
auf dem Felde der hellenistischen Kultur Einflüsse aus dem Osten zu verzeichnen
waren, reichte die Strahlkraft der griechischen Kultur bis tief in die
östlichen Gefilde hinein. So inspirierte vor 2000 Jahren im fernen Indien der
hellenistische Kultureinfluss (Stichwort: „Gandhāra-Kunst“) Buddhisten, bei denen es ursprünglich verpönt war, zu Verehrungszwecken irgendwelche Bildnisse anzufertigen, zur Schaffung der ersten Buddha-Statuen. Diese Formen hellenisierten Kulturgutes (cfr. „Mahayana-Buddhismus“) breiteten sich wiederum in China und anderen Regionen des sog. fernen Ostens aus. Als im Zuge des sechsten Jahrhunderts (spätestens 538 n.Chr., wenn nicht gar schon früher) der Buddhismus auch im fernen – zumindest von Europa aus gesehen – Japan ankam, ahnte dort niemand, dass man damit ein Stück hellenisierter Kultur aus dem Kontinent importiert und infolgedessen damit begonnen hatte, nach und nach auch die Nachfahren des Hermes, des Herakles u.v.m. als Vaisravana (jap. 毘沙門天: Bishamonten), Vajrapani (jap. 執金剛神: Shukongōshin) u.v.m. zu verehren.
II. Erste
Begegnungen der Japaner mit der Latinitas
Noch
waren die Japaner allerdings weit davon entfernt, direkte Bekanntschaft mit der
griechischen Philosophie oder gar mit der lateinischen Sprache zu knüpfen. Dies
sollte sich erst im Jahr 1549 ändern: Franz Xaver
(lat. Franciscus Xaverius.; portug. Francisco de Xavier), Mitbegründer des Jesuitenordens (Ordo Clericorum Regularium Societatis Jesu), landete im
August jenes Jahres im Süden Japans auf der Insel Kyûshû
(九州) und erntete
schrittweise die Aufmerksamkeit der örtlichen Daimyo
(大名, regionale
Fürsten).
・Das universale Humanismus-Konzept der Jesuiten
Hl. Franz Xaver |
・Der „japanische Humanismus“ als Anknüpfungspunkt für
die Inkulturation
Lateinisches Schreiben eines christlichen Japaners namens „Nakaura Julian“ 17. Jhdt. |
・Die westliche Skepsis
Die ersten diplomatischen Emissäre aus Japan Augsburger Flugblatt, 1586 |
・Mit
Humanismus gegen Rassismus
Anscheinend ist es durch diese
Mission gelungen, in der öffentlichen Wahrnehmung Europas die vier Gäste aus
dem fernen Osten als Vertreter einer (aus westlicher Sicht) gleichrangigen und
gleichartigen Nation zu positionieren. In der deutschen Reichsstadt Augsburg
verkündete ein Flugblatt von 1586 eine „Newe Zeyttung“
(= eine „neue Nachricht“) über die fernöstlichen Botschafter „auß der Insel Japonien“: „Alle vier
aber von Natur/wie es jr Lands art mit
bringt/gar Siñreiche/Hochverstendige/vnd vber die maß wolkündige Leüt/Wie an mehr
ortten von jrer Nation in gemein/vnd von disen vier
sonderbar geschriben wirdt.“ Die vier Jünglinge aus Japan, die fließend Latein beherrschten und darüber hinaus auch mit westlichen Musik-Noten und sonstigen Kulturformen umzugehen wussten, sollten damals der überzeugende empirische Beweis dafür sein, dass die humanistische Bildung dazu geeignet sei, in jenem Zeitalter der Globalisierung Brücken der Verständigung zwischen den unterschiedlichen Völkern zu bauen. Als Demonstration der Wirksamkeit des jesuitischen Bildungsprogramms war diese diplomatische Mission auf jeden Fall ein voller Erfolg.
・Niedergang
der Christen-Mission zu Beginn des 17. Jhdt.
Immerhin:
Im Japan des 16. Jahrhunderts erklangen in manchen Schulstuben Sätze wie „Audite nos, sodales!“, und mit Begeisterung lernte man die
Gesangswerke vom Josquin
Desprez (1450[?] - 1521) und Giovanni P. d. Palestrina
(1514[?] - 1594) kennen; ferner interessierte man sich für die Streich- und
Tastaturinstrumente aus Europa sowie für europäische Porträtkunst und vieles
mehr. Auch im kulinarischen Bereich entstanden im Zuge der Begegnung von Ost
und West neue Kreationen. Eine neue, vitale, kreative Mischkultur stand im
Begriff, das Leben im Süden Japans entscheidend zu prägen. Es hätte noch viel
interessanter werden können, wenn es so weiter gelaufen wäre ... Aber es kam
anders.Christenverfolgung in Japan 17. Jhdt. |
Seit 1587 wurden also Gesetze
erlassen, die die Missionarsarbeit entscheidend eindämmen sollten. Zu erwähnen
ist auch, dass in Japan Nachrichten von der brutalen Vorgehensweise der Spanier
in Lateinamerika oder auf den Philippinen wie auch von der Zuspitzung der
Konflikte zwischen Spanien und den Niederlanden etc. große Besorgnisse
hervorriefen. Zunächst gab es aber noch genügend Begeisterte
von der Offenheit des eigenen Landes, weswegen die antimissionarischen Gesetze
meist eher großzügig ausgelegt wurden. In den Jahren 1612/13 hat sich
allerdings die Fraktion der Besorgten
durchgesetzt, welche die Gefahr der Kolonialisierung für gegeben und die
Belastungsgrenze hinsichtlich der Überfremdung für erreicht hielten. Damals zählte man in
Japan etwa 650 000 Christen, darunter 150 Geistliche, 55 Regionalfürsten und 2
aus dem Hofadel – bei einer Gesamtbevölkerung von 12 Millionen. Die
christianisierten Fürsten kündigten rasch ihre Unterstützungsleistung für die
Kirche. Der christliche Glaube wurde illegalisiert, die Missionare wurden des
Landes verwiesen, und es kam zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit den
katholischen Staaten. Lediglich den protestantischen Niederländern wurde eingeschränkter
Kontakt mit der japanischen Obrigkeit gestattet. Die Kultur Japans musste
„gereinigt“ werden. Das ganze Land schottete sich praktisch ab – fast 250 Jahre
lang.
(Fortsetzung folgt.)
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