Nachträgliche Bemerkungen zu einer Änderung unseres Vereinsnamens von Dietrich Elsner. Ein Appell dem Verein auch bei kontroversen Debatten über den Vereinsnamen die Stange zu halten.
Am Freitag 15. Juli 2016 fand in
der Universität Stuttgart eine außerordentliche Mitgliederversammlung statt.
Grund: In dieser Sondersitzung sollte vor allem ein Thema verhandelt
werden, mit dem sich der Vorstand unter der Leitung von Prof. Dr. Eckart
Olshausen beschäftigt hatte. Eine Namensänderung wurde von vielen Mitgliedern
unseres Vereins angeregt. Ein Blick in die Vergangenheit macht dies deutlich:
Nach dem 1. Weltkrieg kam das Humanistische Gymnasium in eine kritische Diskussion, dem man eine z.T. unzeitgemäße
Bildungskonzeption vorwarf. In eine durch Technik und Industrie veränderte Welt
passe diese Bildungseinrichtung nicht mehr (durch die Betonung der alten
Sprachen).
I
Doch die Anhänger und Befürworter
der alten humanistischen Konzeption führten im September 1920 zur Gründung des „Vereins der Freunde des Humanistischen Gymnasiums“. Dieser Verein
wirkte durch öffentliche Vorträge und mit Aufführungen antiker Dramen so
anziehend, dass von einem großen Zulauf gesprochen werden konnte.
Allerdings kam es seit 1933
durch die nationalsozialistische Propaganda zu einem deutlichen Einbruch der
Mitgliederzahlen. Erst 1946 konnte bei der amerikanischen
Militärregierung ein Neuanfang beantragt und wieder gestartet werden.
Griechisch, Latein und Hebräisch
konnten als Fächer wieder an manchen Schulen gelernt werden.
Ein weiterer Grund für den
erwähnten Aufschwung war, dass auch die einst evangelischen Seminare
(Maulbronn, Blaubeuren, Schöntal, Urach), die von den Nazis als Napola-Schulen
umfunktioniert und gewaltsam der evangelischen Landeskirche trotz des
Protestes der Kirchenleitung und des Bischofs von Württembergs enteignet worden
waren. Alle Schulen wurden von der amerikanischen Militärverwaltung
zurückgegeben (1947 / 1948).
II
Diese Schulen gehen auf eine
lange württembergische Tradition zurück, die seit der Reformationszeit
in Geltung waren. Im Gebiet des alten Herzogtums Württemberg unter
Ulrich, dann unter dessen Sohn Herzog Christoph wurde eine Bildungsreform
durchgesetzt: 14 ehemalige Männerkloster wurden zu Klosterschulen, die von
einem evangelischen Abt geführt wurden, nun umgewandelt (z.B.
Alpirsbach, Bebenhausen, Blaubeuren…).
Diese Schulen sollten – auch nach
dem Vorbild der Bildungsreform des Altphilologen Melanchthon die alten
Sprachen pflegen (Hebräisch, Griechisch, Latein). Daneben auch
Mathematik, Religionslehre, rhetorische Übungen.
Als Unterbau sollten diese
Kenntnisse die Voraussetzung sein für ein Theologie- und Sprachstudium an der
Uni Tübingen (ev. Stift). Mit guten Examensergebnissen konnten diese „Landeskinder“
von Alt-Württemberg den Grundstock für eine evangelisch-lutherische Pfarrerschaft
und für Landesbeamte bilden.
Als später in der napoleonischen
Zeit diese Schulen als humanistische Ausbildungsstätten zu den „niederen
theologischen Seminaren“ mit je einem Ephorus ausgestaltet wurden,
übernahm das Königreich Württemberg diese althergebrachte Schultradition
mit der Möglichkeit, auch die modernen Sprachen zu erlernen (z.B. Englisch,
Französisch).
Erneut zu einer Änderung kam
es in neuerer Zeit, als mit der Einführung der sogenannten „Reformierten
Oberstufe“ auch Mädchen zugelassen wurden. Durch die mangelnde Schülerzahl
wurden auch 2 niedere Seminare geschlossen, Schöntal und Urach, so dass
zur Zeit nur noch 2 altsprachliche Gymnasien mit Internat übrig blieben:
Maulbronn und Blaubeuren, jeweils als selbstständige Schulen mit je 4 Klassen
(9 / 10 / 11 / 12).
III
Warum schreibe ich dies? Damit
will ich erklären, warum im Bereich von Baden-Württemberg die beiden
Stichworte „Humanismus“ und „Württemberg“ eine so lebendige Beziehung
zueinander eingegangen sind. Das war ein Grund, dass der Bezugspunkt „Württemberg“
so prägend in der pädagogischen Diskussion wurde.
Nach der letzten Sitzung der
Mitgliederversammlung unseres Vereins kam ein Herr auf mich zu und war über
mein Verhalten verwundert, da ich für die Kurzfassung „Humanistische Bildung
e.V.“ ohne den Bezug Württemberg gestimmt hatte, obwohl ich doch noch mündlich
auf die württembergische Seminar-Tradition hingewiesen hätte. Ich bejahte dies
und gab zur Erklärung für das Fortlassen an, dass ich bei einer Abstimmung aus
Fairnessgründen für nötig gehalten hatte, dass man es sich bei einer
Entscheidung nicht zu einfach machen darf.
Fazit: Es gibt keinen „Württembergischen Humanismus“, sondern nur eine „humanistische
Bildung“. Auch Interessierte aus Baden, dem Bundesgebiet und darüber
hinaus würden den württembergischen Bezug nicht mehr verstehen.
Die angestrebte Namensverkürzung
verfehlte nun die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit um eine Stimme. Das zuvor
von allen Mitgliedern eingeholte Meinungsbild sprach sich mit 60 zu 10 Stimmen für
eine Verkürzung aus, so dass später vielleicht noch einmal in einer Mitgliederversammlung
über eine Namensänderung nachgedacht werden muss. In dieser sensiblen Frage
prallen gegensätzliche Meinungen aufeinander und lassen Emotionen höher
schlagen. Doch sollten wir hierbei nie das Ziel vergessen, dass unseren Verein
prägt: Die Förderung der alten Sprachen und der Humanistischen Bildung.
Bitte wenden Sie sich nicht aus
Verärgerung über eine Namensänderung - oder der Beibehaltung - von unserem
Verein ab. Es wäre um der Sache willen einfach zu schade!
Schuldekan i. R.
Freudenstadt.
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