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ehemals Württembergischer Verein zur Förderung der humanistischen Bildung e.V.

Mittwoch, 16. März 2016

Humanistisches Sommerkonzert 2015 - Rezension

Das diesjährige “Open Air Schloss Solitude“ konnte wahrlich die württembergischen Humanisten auf die klassischste Höhe Stuttgarts locken! Tragödien des Sophokles, Oedipus auf Kolonos und Antigone, musikalisch aufbereitet in „Schauspielmusiken“ Felix Mendelssohn-Bartholdys, wurden mit Texten der Übersetzung von J.C. Donner szenisch unterlegt gesprochen.
Auf Anregung des kulturbeflissenen Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV. war die Antigone in Potsdam 1841 erstmals in deutscher Übersetzung aufgeführt worden - ebenso 1845 Oedipus auf Kolonos, im Rückgriff auf die eigens erarbeitete 1838 erschienene Übersetzung des gesamten Sophokles durch den Stuttgarter Gymnasialprofessor Johann Christian Donner (1799-1875). Mendelsohns Vertonung der Antigone und des Oedipus auf Kolonos wurden nunmehr unter Frieder Bernius mit dem Kammerchor Stuttgart und der Klassischen Philharmonie Stuttgart in der Donner‘schen metrischen Übersetzung gerade der Chorlieder zum alljährlichen hochsommerlichen musischen Event – genau am Übergang in den August 2015. Bereits ein Jahr vorher, am 19. Juni 2014, hatte Professor Hellmut Flashar, vielen Studierenden der Alten Sprachen in Tübingen noch bekannt, die Sophokles-Übersetzungen in Potsdam philologisch kommentiert – Bernius hatte ihn nun als Kommentator der Mendelsohn‘schen Vertonung (auch in schriftlichem Beitrag im Programmheft) nach Stuttgart gebeten. Donners Übersetzung ist in doppelsprachigen Broschüren aus dem Herder-Verlag unmittelbar nach dem Krieg (1948) noch greifbar, eingeleitet von Reinhold Schneider. Sie fand sich in dem von Flashar behutsam eingerichteten Textbuch-Programm wieder und ließ die Rezitation mitverfolgen – dank der geschulten Stimmen bedeutete die hereinbrechende Dunkelheit keine Einbuße. Hans-Günther Heyme sprach selbst Ödipus und Kreon und hatte die Dialogregie persönlich übernommen, Pilu Lydlow war als Antigone, in weiteren Rollen waren Isa Weiss und Peter Kaghanowich zu hören, zusammenhängende Textpassagen der Einführung Flashars las Barbara Stoll.
Gab es im Verlauf des zweiten Abends auch ein paar Regenschauer – dank der zur Verfügung gestellten rosenfarbiger Capes waren sie leicht abzuwehren. Die ausverkaufte Vorstellung vor der blendend illuminierten weißen Freitreppe des Schlosses im transparenten Pavillon für die Chöre und das Orchester übte eine starke Wirkung und erhielt den gebührend langdauernden Applaus. 
Dr. Monika Balzert

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