alter Titel

ehemals Württembergischer Verein zur Förderung der humanistischen Bildung e.V.

Freitag, 25. März 2016

Humanistische Verschnaufpause I Diskussion über die Kirche – überflüssig oder nicht?


Kirche und Humanismus – in Großbritannien sehen viele darin einen Gegensatz. Wahre Humanisten seien ihnen zufolge diejenigen, „die sich von der Furcht vor Gott und dem Orcus befreit hätten“, wie der allseits bekannte Latinist Prof. Wilfried Stroh in seinem lateinischen Vortrag vom 22. Juli 2007 zum Thema Humanismus referierte: qui se a timore dei Orcique liberaverint. Offenbar herrscht in Baden-Württemberg eine andere Tradition. „Diskussionen in der Kirche –überflüssig oder notwendig?“  so das Thema des beachtenswerten Artikels, den Dietrich Elsner, langjähriges Mitglied des Vorstandes unserer Humanistenvereinigung, für diese Seite gepostet hat. Wir werden sehen, warum ein solcher Artikel nicht nur für die württembergischen Humanisten durchaus von Interesse sein könnte.

 
‚Gehört das ganze Alte Testament weiterhin zur verbindlichen Sammlung biblischer Schriften?‘ Oder müsste man nicht innerhalb dieser Sammlung eine deutliche Auswahl erarbeiten, damit die Botschaft des evangelisch verstandenen Glaubens deutlicher wird“, lautet die Kernfrage, die Herr Elsner in seinem Artikel vom 16. März stellt, denn „es ist nicht zu leugnen, dass weite Teile des Alten Testaments für das heutige Glaubensverständnis zumindest missverständlich sein“ können. Dabei bezieht er sich auf eine strittige Debatte, angestoßen von einem Professor für „Systematische Theologie“ Notger Slenczka an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Streitbarer Theologe
Prof. Dr. Notger Slenczka
Der Denkanstoß von Prof. Slenczka erregte tatsächlich großen Anstoß und sorgte für eine heftige Kontroverse sowohl im theologischen Elfenbeinturm als auch in den öffentlichen Medien. Deutliche Kritik kam beispielsweise von Friedhelm Pieper, dem Ev. Präsidenten des „Koordinierungsrats der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit“ (Pressemitteilung, 7. April 2015) wie auch vom EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm (EKD-Synode 2015). Auch in der jüdischen Gemeinschaft sorgten Slenczkas Thesen für Unruhe wie im Falle von Joel Berger, ehemaliger Landesrabbiner von Württemberg, der in Slenczka einen „Fortsetzer dieser antijudaistischen Züge der früheren Theologen“ feststellte. So heftig manche Reaktionen gegen die strittige Auffassung des Berliner Professors ausgefallen sein mögen, so sehen wir hier doch einen deutlichen Unterschied zur wesentlich differenzierteren Anschauung von Herrn Elsner, was die Sache für die Humanisten erst richtig diskussionswürdig macht.

Mittwoch, 16. März 2016

Diskussionen in der Kirche - überflüssig oder notwendig?



In den Medien werden zurzeit für uns alle - sei es zur Freude, sei es zum Verdruss - viele schockierende und alarmierende Informationen zum gegenwärtigen Flüchtlingselend geschildert. Vielleicht erinnern Sie sich noch dunkel an Berichte vor dem “Sommerloch”. Viele Zeitungen brachten vor Monaten folgende Überschriften: “Kirchen schrumpfen auch im Südwesten” oder “Deutschlands schwindendes Christentum in Zahlen”. Da wurde etwa sensationell berichtet, dass die Zahl der Kirchenmitglieder bundesweit in den katholischen Diözesen einen Rückgang von ca. 230.000 Gläubigen, bei den evangelischen Landeskirchen sogar um ca. 410.000 Personen Ende 2015 zu erwarten seien.

Was sind denn die Gründe dafür? Vielleicht die Irritationen beim neuen Einzugsverfahren von Kirchensteuern auf Kapitalerträge? Oder weitere Unzufriedenheit bei Missbrauchsfällen von Heranwachsenden? Oder vielleicht das schwindende Vertrauen beim sog. Bodenpersonal der Kirchen? Und dies, obwohl sich der neue Papst Franziskus bei vielen Menschen großer Beliebtheit erfreut! Verwirrend ist zudem, dass bei kirchlichen Steuerschätzungen sogar die Einkünfte beider Kirchen bei schwindenden Mitgliederzahlen, wegen der guten Wirtschaftsentwicklung, noch steigen!

Warum diese Aufregung in den Medien, frage ich mich. Da ich in unserem “Württembergischen Verein zur Förderung der humanistischen Bildung e.V.” seit 1976 bei wechselnden Vorständen als sog. Vertreter der evang. Landeskirche tätig bin, verwundern mich diese Diskussionen sehr. Als Schreiber dieser Zeilen möchte ich Ihnen etwas kurz erzählen: 1975 wurde ich vom damaligen Vorstandsmitglied Dr. Schütt vom Oberschulamt Stuttgart aufgefordert, in unserem Verein mitzuarbeiten. Ich kam als evang. Theologe in das Schulreferat des OKR, weil damals die sog. Oberstufenreform für die Gymnasien mit dem neuen Abitur eingeführt werden sollte. Dr. Schütt und ich als Vertreter des Schulreferates mussten außerdem den Zugang zu einer Freistelle im Evang. Stift in Tübingen neu organisieren (Konkursprüfung). Ferner wurden durch die kommenden Studien-Reformen an den Universitäten, auch für das Fach Theologie, Sprachprüfungen nötig. Es sollten weiterhin die alten Sprachen (Hebräisch, Griechisch und Latein) verpflichtend sein.

Humanistisches Sommerkonzert 2015 - Rezension

Das diesjährige “Open Air Schloss Solitude“ konnte wahrlich die württembergischen Humanisten auf die klassischste Höhe Stuttgarts locken! Tragödien des Sophokles, Oedipus auf Kolonos und Antigone, musikalisch aufbereitet in „Schauspielmusiken“ Felix Mendelssohn-Bartholdys, wurden mit Texten der Übersetzung von J.C. Donner szenisch unterlegt gesprochen.
Auf Anregung des kulturbeflissenen Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV. war die Antigone in Potsdam 1841 erstmals in deutscher Übersetzung aufgeführt worden - ebenso 1845 Oedipus auf Kolonos, im Rückgriff auf die eigens erarbeitete 1838 erschienene Übersetzung des gesamten Sophokles durch den Stuttgarter Gymnasialprofessor Johann Christian Donner (1799-1875). Mendelsohns Vertonung der Antigone und des Oedipus auf Kolonos wurden nunmehr unter Frieder Bernius mit dem Kammerchor Stuttgart und der Klassischen Philharmonie Stuttgart in der Donner‘schen metrischen Übersetzung gerade der Chorlieder zum alljährlichen hochsommerlichen musischen Event – genau am Übergang in den August 2015. Bereits ein Jahr vorher, am 19. Juni 2014, hatte Professor Hellmut Flashar, vielen Studierenden der Alten Sprachen in Tübingen noch bekannt, die Sophokles-Übersetzungen in Potsdam philologisch kommentiert – Bernius hatte ihn nun als Kommentator der Mendelsohn‘schen Vertonung (auch in schriftlichem Beitrag im Programmheft) nach Stuttgart gebeten. Donners Übersetzung ist in doppelsprachigen Broschüren aus dem Herder-Verlag unmittelbar nach dem Krieg (1948) noch greifbar, eingeleitet von Reinhold Schneider. Sie fand sich in dem von Flashar behutsam eingerichteten Textbuch-Programm wieder und ließ die Rezitation mitverfolgen – dank der geschulten Stimmen bedeutete die hereinbrechende Dunkelheit keine Einbuße. Hans-Günther Heyme sprach selbst Ödipus und Kreon und hatte die Dialogregie persönlich übernommen, Pilu Lydlow war als Antigone, in weiteren Rollen waren Isa Weiss und Peter Kaghanowich zu hören, zusammenhängende Textpassagen der Einführung Flashars las Barbara Stoll.
Gab es im Verlauf des zweiten Abends auch ein paar Regenschauer – dank der zur Verfügung gestellten rosenfarbiger Capes waren sie leicht abzuwehren. Die ausverkaufte Vorstellung vor der blendend illuminierten weißen Freitreppe des Schlosses im transparenten Pavillon für die Chöre und das Orchester übte eine starke Wirkung und erhielt den gebührend langdauernden Applaus. 
Dr. Monika Balzert