alter Titel

ehemals Württembergischer Verein zur Förderung der humanistischen Bildung e.V.

Donnerstag, 28. Juli 2016

Gibt es einen „Württembergischen Humanismus?“


Nachträgliche Bemerkungen zu einer Änderung unseres Vereinsnamens von Dietrich Elsner. Ein Appell dem Verein auch bei kontroversen Debatten über den Vereinsnamen die Stange zu halten.

Am Freitag 15. Juli 2016 fand in der Universität Stuttgart eine außerordentliche Mitgliederversammlung statt. Grund: In dieser Sondersitzung sollte vor allem ein Thema verhandelt werden, mit dem sich der Vorstand unter der Leitung von Prof. Dr. Eckart Olshausen beschäftigt hatte. Eine Namensänderung wurde von vielen Mitgliedern unseres Vereins angeregt. Ein Blick in die Vergangenheit macht dies deutlich:
Nach dem 1. Weltkrieg kam das Humanistische Gymnasium in eine kritische Diskussion, dem man eine z.T. unzeitgemäße Bildungskonzeption vorwarf. In eine durch Technik und Industrie veränderte Welt passe diese Bildungseinrichtung nicht mehr (durch die Betonung der alten Sprachen).
I
Doch die Anhänger und Befürworter der alten humanistischen Konzeption führten im September 1920 zur Gründung des „Vereins der Freunde des Humanistischen Gymnasiums“. Dieser Verein wirkte durch öffentliche Vorträge und mit Aufführungen antiker Dramen so anziehend, dass von einem großen Zulauf gesprochen werden konnte.
Allerdings kam es seit 1933 durch die nationalsozialistische Propaganda zu einem deutlichen Einbruch der Mitgliederzahlen. Erst 1946 konnte bei der amerikanischen Militärregierung ein Neuanfang beantragt und wieder gestartet werden.
Griechisch, Latein und Hebräisch konnten als Fächer wieder an manchen Schulen gelernt werden.
Ein weiterer Grund für den erwähnten Aufschwung war, dass auch die einst evangelischen Seminare (Maulbronn, Blaubeuren, Schöntal, Urach), die von den Nazis als Napola-Schulen umfunktioniert und gewaltsam der evangelischen Landeskirche trotz des Protestes der Kirchenleitung und des Bischofs von Württembergs enteignet worden waren. Alle Schulen wurden von der amerikanischen Militärverwaltung zurückgegeben (1947 / 1948).
II
Diese Schulen gehen auf eine lange württembergische Tradition zurück, die seit der Reformationszeit in Geltung waren. Im Gebiet des alten Herzogtums Württemberg unter Ulrich, dann unter dessen Sohn Herzog Christoph wurde eine Bildungsreform durchgesetzt: 14 ehemalige Männerkloster wurden zu Klosterschulen, die von einem evangelischen Abt geführt wurden, nun umgewandelt (z.B. Alpirsbach, Bebenhausen, Blaubeuren…).
Diese Schulen sollten – auch nach dem Vorbild der Bildungsreform des Altphilologen Melanchthon die alten Sprachen pflegen (Hebräisch, Griechisch, Latein). Daneben auch Mathematik, Religionslehre, rhetorische Übungen.
Als Unterbau sollten diese Kenntnisse die Voraussetzung sein für ein Theologie- und Sprachstudium an der Uni Tübingen (ev. Stift). Mit guten Examensergebnissen konnten diese „Landeskinder“ von Alt-Württemberg den Grundstock für eine evangelisch-lutherische Pfarrerschaft und für Landesbeamte bilden.
Als später in der napoleonischen Zeit diese Schulen als humanistische Ausbildungsstätten zu den „niederen theologischen Seminaren“ mit je einem Ephorus ausgestaltet wurden, übernahm das Königreich Württemberg diese althergebrachte Schultradition mit der Möglichkeit, auch die modernen Sprachen zu erlernen (z.B. Englisch, Französisch).
Erneut zu einer Änderung kam es in neuerer Zeit, als mit der Einführung der sogenannten „Reformierten Oberstufe“ auch Mädchen zugelassen wurden. Durch die mangelnde Schülerzahl wurden auch 2 niedere Seminare geschlossen, Schöntal und Urach, so dass zur Zeit nur noch 2 altsprachliche Gymnasien mit Internat übrig blieben: Maulbronn und Blaubeuren, jeweils als selbstständige Schulen mit je 4 Klassen (9 / 10 / 11 / 12).
III
Warum schreibe ich dies? Damit will ich erklären, warum im Bereich von Baden-Württemberg die beiden Stichworte „Humanismus“ und „Württemberg“ eine so lebendige Beziehung zueinander eingegangen sind. Das war ein Grund, dass der Bezugspunkt „Württemberg“ so prägend in der pädagogischen Diskussion wurde.
Nach der letzten Sitzung der Mitgliederversammlung unseres Vereins kam ein Herr auf mich zu und war über mein Verhalten verwundert, da ich für die Kurzfassung „Humanistische Bildung e.V.“ ohne den Bezug Württemberg gestimmt hatte, obwohl ich doch noch mündlich auf die württembergische Seminar-Tradition hingewiesen hätte. Ich bejahte dies und gab zur Erklärung für das Fortlassen an, dass ich bei einer Abstimmung aus Fairnessgründen für nötig gehalten hatte, dass man es sich bei einer Entscheidung nicht zu einfach machen darf.
Fazit: Es gibt keinen „Württembergischen Humanismus“, sondern nur eine „humanistische Bildung“. Auch Interessierte aus Baden, dem Bundesgebiet und darüber hinaus würden den württembergischen Bezug nicht mehr verstehen.
Die angestrebte Namensverkürzung verfehlte nun die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit um eine Stimme. Das zuvor von allen Mitgliedern eingeholte Meinungsbild sprach sich mit 60 zu 10 Stimmen für eine Verkürzung aus, so dass später vielleicht noch einmal in einer Mitgliederversammlung über eine Namensänderung nachgedacht werden muss. In dieser sensiblen Frage prallen gegensätzliche Meinungen aufeinander und lassen Emotionen höher schlagen. Doch sollten wir hierbei nie das Ziel vergessen, dass unseren Verein prägt: Die Förderung der alten Sprachen und der Humanistischen Bildung.
Bitte wenden Sie sich nicht aus Verärgerung über eine Namensänderung - oder der Beibehaltung - von unserem Verein ab. Es wäre um der Sache willen einfach zu schade!
Schuldekan i. R.
Freudenstadt.

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